Auch auf die Gefahr hin, die geneigte Leserschaft komme auf den Gedanken: ‚Jetzt spinnen die Muttons völlig!‘, stellen wir hier die Frage: Was haben IKEA und Argentinien gemeinsam?

Für uns ist das GLASKLAR: Mache es selber und bezahle viel oder lasse machen und bezahl noch mehr!

Nur die Qualität des Ergebnisses unterscheidet sich mitunter erheblich…

 

Das Ende der Carretera Austral in Villa O’Higgins stellte uns vor die Aufgabe, auf Wasser- und Landwegen den Transfer von Chile in das hassgeliebte Argentinien anzutreten. Das musste spannend werden, vor allem wenn man bedenkt, dass dieser Weg nur für FußgängerInnen und RadfahrerInnen zur Verfügung steht, und dann auch nur in den Monaten Dezember bis März.

Das letzte Stück der Carretera war genauso schön, wie ihr Anfang und ihr Mittelteil. Weniger Verkehr und Regen als erwartet (was mitnichten heißt, dass es keinen gab!!!) 2017-02-10_06-14-44setzten zusätzlich einen positiven Akzent. Dass letzteres auch anders gehen kann, berichteten uns befreundete Radler, die auf unseren Spuren wandeln… Wie war das mit dem Timing? Wie war das mit dem Glück? – Wir wissen das durchaus zu schätzen und sind uns bewusst, dass dies rein gar nichts mit uns zu tun hat :-)!

Also ran an den Speck, Argentinien wartet. In O’Higgins organisieren wir bei Lorenzo eine 3,5stündige Fährüberfahrt für unschlagbare 30.000 chilenische Pesos pro Person. El Capitan macht einen leicht windigen Eindruck, genau wie das Wetter des nächsten Tages… Ob das mal gut geht?! Jedenfalls ist er der Einzige, der an diesem Vormittag die Reise antritt, andere Skipper raten von dem Trip ab bzw. stechen gar nicht erst in See. Mister Mutton kennt keine Kompromisse und schmeißt sich gleich eine Stunde vor Abfahrt ne Pille ein! – Keine Macht den Drogen! – Aber eine Reisetablette ist hier die Devise!

Zeit haben wir an diesem Morgen reichlich – wir stehen zwar pünktlich 8:30 Uhr am „Hafen“, aber Lorenzo lässt sich erstmal nicht blicken. Transfer wegen des Wetters gestrichen? – Er hat wohl erst noch mit der Küstenwache verhandelt, erscheint dann ohne ein kleinstes Wort der Entschuldigung ne Stunde später mit einem Duzend Backpackern, denen er vorher noch bescheid gegeben hatte – sind wir denn schon in Argentinien, oder was?! „Schön“, dass pünktliches Erscheinen unsererseits bedeutete, im Nieselregen gen Hafen zu rollen, in der Eile des Gefechts noch den Riemen des linken Gabelgepäckträgers vom Mister zu demolieren und zu allem Überfluss den Rest der Hostelgemeinde am zeitigen Aufbruch dadurch partizipieren zu lassen, dass man ausgerechnet den metallenen Kaffeebecher bei der Zimmerräumung nur halb zu fassen bekommt und er als schlecht gestellter Wecker fungiert… Shit happens, gell?! Wenigstens waren wir danach hellwach…

Jetzt nur noch die Räder auf Lorenzos Kutter. Sein fleißiger Mitarbeiter geht dabei so „behutsam“ vor, dass Hammelchen einen markanten Blick in seine Richtung abfeuert und mit einem beherzten „HEY!!!!“ klar macht, was er von dieser Behutsmkeit hält! „Mach es lieber selbst, sonst wird es noch teuerer, als so schon!“ (IKEA) Wir konnten allerdings nicht verhindern, dass den Backpackern nichts anderes einfällt, als ihre mit was auch immer gefüllten Kraxen einfach mal auf unsere Ausrüstung zu schmeißen… Super…! IKEA? Klaro! Hammel hat dann auch gleich noch unter Deck „aufgeräumt“ – natürlich nicht ohne auf eindeutige phonetische Untermalung zu verzichten.

Stechen wir in See … die Pille tut ihre Arbeit prächtig – wenigstens beim Mister. Hammelinchen entscheidet sich wohl fünf Minuten zu spät für den Einwurf, denn auf den letzten Metern gehört das Klo des Kahns ganz allein ihr – und das ist auch gut so im Interesse aller Mitreisenden.

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Wenn man sich den Ablauf retrospektiv vergegenwärtigt, kommen wir zu keinem anderen Schluss als anzunehmen, dass hier eine chilenisch-argentinische Kooperationsvereinbarung vorliegen muss, um den Übergang nicht abrupt sondern fließend zu gestalten…

OK, der Kutter spuckt uns 3,5 Stunden später an Land, wir checken aus Chile aus und begeben uns auf einen zwölf Kilometer langen, teils sehr steilen, aber durchaus fahrbaren Pistenabschnitt, um nach Argentinien zu gelangen – im Rücken die Sonne, vor uns dunkle Wolken – ein Omen?! Klaro! 🙂

„Hier muss doch irgendwo die Grenze sein…!“, denke ich noch, als auf einmal aus dem Nichts das blau-weiß-gestreifte, mittig mit einer Sonne versehene argentinische Willkommensschild auftaucht. Ich hätte mir das auch eigentlich denken können, denn just an dieser Stelle hört die präparierte Piste auf und geht in einen Pfad über, der mit der Trias „Spannung, Spiel und Spaß“ fast einem Ü-Ei gleicht! Man beginne mit Gestrüppeinlagen, garniere das ganze mit Schlamm- und Morastpassagen, ergänze ein paar Bäche, steile, verlehmte Auf- und Abgänge, lege ein paar Bäume quer und lasse den Mücken ihren Platz zum Leben und schon ist der Adventure-survival-Pfad a la Arschentina präpariert. Gut, dass sich Hammelinchen schon übergeben hatte, sonst wäre das wohl hier passiert :-)!

Nun ja, das hammel’sche Mountainbiker-Herz schlägt aber schon das ein ums andere Mal höher und ich kann nicht behaupten, dass ich an einigen Stellen trotz Reiseradpacktaschen keinen Spaß hatte – vor allem auch auf dem letzten Stück, was wir definitiv nicht für eine Traverse von Süd nach Nord empfehlen können.
Matsch- Fluss-Trail-Passagen wechseln sich manchmal so passend ab, dass ich mir denke, das muss doch Absicht sein und ist ein Outdoor-Arrangement mit Logik…

Auf nach Argentinien reloaded... Vom Ende der Carretera Austral rüber :-)

Als dann aber der Regen einsetzt, ich auf dem letzten Stück des Grenz“weges“ nach einer mehr oder weniger gelungenen Flussdurchfahrt auf den letzten Zentimentern dann doch den Fuß zu Hilfe nehmen muss und meinen linken Schuh flute, dazu die Temperaturen empfindlich sinken und die Mücken ihr Stelldichein geben, ist es vorbei mit dem Spaßfaktor und wir realisieren: „Bienvenidos a Argentina“ – maximal gewollt und nicht gekonnt, eher nicht mal ersteres, aber definitiv letzteres.

Die Einreise besteht dann auch aus einem einfachen Stempelchen – Lust hat da wohl niemand, und wer will es den argentinischen Beamten auch verübeln. Wenigstens kann man kostenlos am Ufer des Lago del Desierto campen und hat, sofern man in der glücklichen Lage ist, einen ersten, durchaus beeindruckenden Blick auf den legendären Fitz Roy!

Bietet Argentinien hier im Süden noch mehr fürs Geld? Naja, wie man es nimmt. Auf jeden Fall bezahlt man (noch) mehr, denn wir befinden uns nun in einem Touristenzentrum ersten Ranges. Es steht erst einmal eine zweite Fährfahrt an – 40 Minuten, gleicher Preis wie in Chile … Hat man dafür noch Worte? Klar, dass man im Nationalpark am Fitz Roy keinen Eintritt bezahlen muss – den legt man bereits bei Anreise und Aufenthalt in El Chaltén auf den Tisch. Horrende Preise für Mittelmäßiges – das kennen wir doch schon. Im Süden nichts Neues :-)!

Den Kontrast dazu bietet die 24 Kilometer lange Wanderungen zum Fuße des Mister Fitz bei insgesamt tollem Wetter und herrlicher Umgebung. Der Nationalpark ist wärmstens zu empfehlen, die Natur ist herrlich und Fitz Roy sowie Cerro Torre, sofern sie sich zeigen, umwerfend!!! An diesem Tag lassen sich die beiden etwas betteln, zeigen sich uns wenigstens aber auf dem Rückweg. Gelungener Wandertag!!!

Mit tollen Eindrücken und ziemlich schweren Beinen – ein halbes Jahr nur radeln tut der laufspezifischen Muskulatur so gar nicht gut 🙂 – brechen wir am nächsten Tag bei moderatem Wetter gen El Calafate auf… Irgendwas kommt uns bedrückend bekannt vor … mmmh… Ahhh, check: karge Steppe, begrenzte Wasserquellen, Wind und wenig Schutz… Argentina reloaded!!!

„Wenigstens regnet es hier in dieser „Wüste“ nicht!“, hören wir uns noch sagen, als wir uns an diesem Abend in einer Ruine an der Ruta 40 nach einem dennoch gelungenen Radeltag (92 km bei Start um elf Uhr) zu Bette/Matte legten…

Hey, liebe Leserin und lieber Leser… Dies ist jetzt nicht die Stelle, um schadenfroh in Gelächter auszubrechen!!!! Dass wir kolossal irrten, realisierten wir am nächsten Morgen und die nächsten zwei Radeltage… Was ne Sch…ße!!! Und wenn es in solch einer Gegend regnet, sollte man alles dafür tun, um auf der aspaltierten Straße zu bleiben – denn wenn man abends völlig durchnässt seinen Drahtesel zu einem mittelprächtigen Campspot schiebt und sich nach drei Metern wundert, warum das Schieben so schwerfällt, an seinem Rad hinunter blickt und mit brechreizartiger Frustration realisiert, dass sich Hinterrad und Antrieb komplett mit Lehm zugesetzt haben und blockieren, hat man den Kaffee aber mal so richtig auf… Pistenpräparation a la Arschentina? Exakt!!!

Die Befreiungsaktion des Rades dauert geschlagene 45 Minuten und darf des morgens in abgeschwächter Form wiederholt werden, weil es widererwartens die ganze Nacht regnet und sich auch am nächsten Tag der ganze Siff fortsetzt. Das kann doch nur Absicht sein!!!!!!!!! Klar, man stresst die Reisenden mit diesen Wetterkapriolen so, dass sie sich irgendwann genötigt sehen, die überteuerten Preise eines Hostels zu bezahlen, um irgendwann auch mal wieder trocken und sauber zu werden… Zelt und Ausrüstung sahen nach dieser Nacht jedenfalls „vortrefflich“ genutzt aus :-/.

Gegen zwölf Uhr des nächsten Tages (natürlich regnet es und es haut uns den aufgesammelten Schlamm beim Fahren der ersten Meter nur so um die Ohren) machen wir uns auf den Weg nach El Calafate – nur 50 km – Wind? Das kann doch nicht wahr sein – klar, aus Ost/Süd-Ost, und das, obwohl er „ja IMMER“ aus West kommt. Kann das was anderes als Vorsatz sein?! Von wegen, man kann das Wetter nicht beeinflussen … !!! Die Argentinier scheinen da Mittelchen zu haben!!!

In El Calafate klart es dann etwas auf. Unsere Bemühungen, ein halbwegs bezahlbares Hostelzimmer zu bekommen, scheitern an dem Umstand, dass in dieser Woche ein Festival in der Stadt zu Hause ist, was es vermag, alle Einwohner und Gäste dieser Stadt ausreichend lang zu beschallen, auch wenn sie dies nicht wollen… Argentinien und Party? – Auch das kennen wir doch.

Wir campen in einem Hinterhof einen Hotels und bekommen hautnah zu spüren, dass (einige) Argentinier wohl auf kuschelige Mehrsamkeit stehen, weil sie (bevorzugt zu später Abendstunde) ihr Zelt 10 cm neben anderen aufbauen, obwohl auch Platz für mindestens zwei Meter Abstand gewesen wäre … Wir sind ja alle eine große Familie :-)! Wir quittieren diese Vermessenheit damit, unser Zelt ein wenig zu „verschieben“!!! – Ruhe bedeutete das in den kommenden zwei Nächten aber nicht… War die Festival-Nacht vorrüber, kamen die Besucher zurück zu ihren Zelten und meinten, es gehöre sich, noch ne Stunde in normaler Lautstärke was auch immer zu kommunizieren… Auch ein „Get the fuck – shut up!!!!“ anderer (nicht wir!!!) Zeltplatznutzer hielt einige Pfeifen nicht davon ab, zu palavern. Und das für 150 argentinische Pesos die Nacht? – Jupp, Arschentina.

Lustige Nebenbemerkung: Bei Kleinkindern kann man wunderbar beobachten, dass sie meinem, wenn man sie nicht sehe, höre man sie auch nicht… Bei einigen Campern weltweit hält dieser Entwicklungsstand wohl ewig, denn sie meinen, dass man sie, wenn sie im Zelt sind und ihre Luken geschlossen haben, auch nicht mehr hört… Trollig? Naja… Weiß nicht!!!

Zweiter Kontrastpunkt – wieder einmal ein Naturschauspiel der Extraklasse. Wir begaben uns auf eine Expedition zum Moreno-Gletscher, diesmal ohne Rad aber mit teurer Busfahrt und Nationalparkeintritt – Klar, dass Ausländer hier mehr bezahlen als Argentinier… Macht Chile (in Torres del Paine) ja auch nicht anders … grml… Man stelle sich dieses Procedere in Deutschland vor … Gäbe es einen Aufschrei?

Aber die Ansicht und Eindrücke des Gletscher lassen jeden Frust sehr schnell verschwinden. Brechen mehrfamilienhausgroße Stücke ab und stürzen in den See, klingt dies wie ein mächtiges Gewitter und lässt einen gebannt das Schauspiel betrachten… Grandios, grandios!!! Oder ist das wieder nur eine riesige Konstruktion zur Abzocke der Touristen? 🙂 Kein Wunder, dass hier alles so teuer ist, denn man muss ja auch den Strom zur Kühlung des ganzen bezahlen!!!! Na wenn das so ist … :-)!

Unser Fazit: Fitz Roy und Moreno – ein MUSS in dieser Gegend. Da kommt man nicht drumrum. Und wir stehen mit diesem Urteil definitiv nicht alleine, denn wir sind es in dieser Region zu keiner Zeit – eher im Gegenteil!

Platt aber zufrieden geht es zurück auf den Kuschelzeltplatz – Dass unsere Räder aufs Zelt geflogen sind, während unserer Abwesenheit, sorgt nur kurz für Frust – alles noch heile und nur ein weiterer von vielen Umfallern – die unter anderem für ein gebrochenes Display-Schutzglas am Smartphone sorgten… Das wechsel ich jetzt aber nicht auch noch in Argentinien – auch wenn du, lieber argentinischer Staat, die Windmaschine noch so sehr anschmeißt. 🙂

OK… Jetzt aber raus hier!!! Die Highlights des Landes liegen definitiv hinter, das Endstück mit Ushuaia (Feuerland) allerdings noch vor uns…

Es ist uns in El Chaltén doch tatsächlich gelungen, den einzigen Flug von Ushuaia nach Neuseeland zu buchen, der keines Flughafentransfers (natürlich für ordentlich Monetas, weil nur eine Firma) in der argentinischen Hauptstadt bedarf… We are very lucky, that’s for sure!!!

Der Weg nach Chile gestaltet sich besser als erwartet … Zwar liegen unter anderem 65 km Dirtroad teils übelster Sorte hinter uns, aber der Wind ist nicht ganz so garstig und wir finden geeignete Plätze für die Nacht.

Prinzip IKEA hat ja auch seinen Reiz – zumindest macht es irgendwo stolz nach dessen Anwendung, oder? 🙂

Die erste Nacht in Chile verbringen wir fünf Kilometer nach Cerro Castillo in einer gemütlichen Schutzhütte for free und heizen dem Ding im vorhandenen Ofen so enorm ein, dass wir nicht einschlafen können und Tag bzw. Nacht der offenen Tür feiern… Luxus! Chile, unser gelobtes Land. We love this country!!!!

Die Preise sind hier in Puerto Natales aber genauso gepfeffert… Und während Chilenen in Torres del Paine 6000 Pesos legen, sind es für Ausländer gnadenlose 21000 Pesos Eintritt… Frechheit!!! Wir lassen daher den Park rechts liegen und suchen unseren Weg nach Süden.

Wir sollten auf den nächsten Kilometern sogar ordentlich Rückenwind haben, oder? 🙂 Wir sehen mal.

Am 7.3. geht der Flieger… 54 Stunden Reisezeit stehen an, die Zeit in Südamerika neigt sich dem Ende – irgendwie kommt eine Mischung aus Wehmut und (Vor-)Freude auf … sieben Monate liegen hinter- weitere sechs noch vor uns. Die 10.000 – Kilometermarke ist seit einigen Tagen auch geknackt und die Räder halten durch!!!!

Harren wir der Dinge, die da kommen werden. Nächster Halt: Punta Arenas!!! Das Tor nach Feuerland!!!

Sei bestens gegrüßt, liebe Leserschaft, die Muttons.

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