Weinend stehen wir des Abends an der Laguna Hedionda in der reinsten Pampa und versuchen Unterschlupf gewährt zu bekommen. Dem Ganzen ging folgende Entscheidung fünf Stunden vorher voraus: „Nehmen wir die Hauptstraße – mit weiteren neun Kilometern – oder gleich den Shortcut zur Laguna???“ – „Claro! Shortcut! Wir sind doch nicht ….!!!“

Freunde der Sonne! Wer jetzt denkt, die Muttons verfielen an diesem Abend der Sentimentalität,Theatralik oder gar Schwäche, der irrt mindestens zu 66,667 %! Hallo?! 🙂 Es war der kalte und vor allem starke Westwind, der der Herde die Tränen in die Augen trieb – trotz der guten Radbrillen… !

Und das sollte erst der Anfang sein, denn nun lagen weitere fünf Tage auf der legendären Lagunenroute vor uns, innerhalb derer wir in den vollen Genuss fahrtechnischer und mentaler Herausforderungen kommen sollten.
Steigen wir ein:

Prolog – Ruta 5 von Uyuni aus gen Westen: Reichlich spät machen wir uns in Uyuni vom Acker. Vicky, Neil und Campbell stehend winkend am Straßenrand und vergewissern sich, dass wir auch wirklich die Stadt verlassen … Schnell noch einen Stop einlegen am bekannten Eisenbahnfriedhof, wo der Mister auch gleich die Grundlage für die  Missgeschicke des Tages legen darf. Natürlich fällt das Rad des Herren beim Fotoshooting an der alten Lok vollends um, wird wütend aufgerichtet, erhält nen Tritt und holt sich draufhin ne Scharte an der Gabel vom alten Eisen des Zugtiers ab – prächtig gemacht, Herr Hammel. Da dies natürlich nicht reicht, werden entweder auf dem Weg zum Friedhof abseits der Straße oder auf dem Rückweg zur Ruta 5 fleißig kleine Dornen mit dem Vorderreifen eingesammelt, die auf den nächsten circa 70 Kilometern unbemerkt die Möglichkeit wahrnahmen, sich mit dem Pneu vertraut zu machen, eine immer innigere Liaison mit ihm einzugehen, um dem Ding auf den letzten zehn Kilometern des Tages dann die Luft zu nehmen. Natürlich ist es kein Vergnügen und fast ein Ding der Unmöglichkeit, bei starkem Wind nen Schlauch zu flicken, der ganz difizil punktiert wurde. Und so kommt man in den Genuss der Wiederholung des Procederes am nächsten Morgen, weil man einem dämlichen Löchlein den Freiraum ließ, den es nicht haben sollte. Super Start in den Tag …
Der Rest des Prologs bis zum Shortcut gen Hedionda verlief ohne weitere Vorkommnisse, bei bestem Wetter und erträglichem Gegenwind. Die Straße kam einer asphaltierten Strecke gleich und bietet sich als kompfortable Lagunenroute-Zubringer-Alternative zum weiter nördlich verlaufenden Weg an der Bahntrasse über Rio Grande geradezu an.
Shortcut – Schluss mit lustig! Gegen Mittag des dritten Tages erreichten wir nach einem nicht allzu straffen Uphill nach dem Ort Alota den ersten Punkt der Tour, der uns mit den widrigen Bedingungen der nächsten Tage vollends und innigst vertraut machen sollte. Wir hoppelten bei energischstem Wind von rechts auf einer immer schlechter werdenden Piste einem kalten und kräftezehrenden Abend entgegen, vorbei an einer malerischen Lagune, deren Schönheit wir aufgrund der vollen Konzentration auf die Fortbewegung nicht ansatzweise würdigen konnten. Wellblechpiste, jetzt noch strafferer Gegenwind, Sand und einsetzende Kälte waren „allinclusiv“. „Nur noch acht Kilometer“ können da ganz schön lang werden!
An der Laguna Hedionda während einer eisig schönen Abendstimmung angekommen, freuten wir uns auf eine kostenlose, wärmende Unterkunft in einem Abstellraum des Ecohotels, die auch andere Radler vor uns genießen konnten … Dumm nur, wenn ausgerechnet an diesem Tag der Chef zugegen ist und dem Personal, was uns genau dieses Angebot unterbreitet, daraufhin erstmal einen ordentlichen Einlauf verpasst – egal ob Mister Gringo Hammel danebensteht. Resultat: Nicht kostenlos, aber deutlich günstiger, als die regulären Zimmerpreise, die einem abermals die Tränen in die Augen treiben würden, müsste man sie bezahlen… Abends düst der Chef im Jeep davon, daraufhin offeriert uns das Personal eine heiße Schokolade für lau – seeeeeehr sympathisch :-)! (Wobei man den Chef natürlich auch irgendwie verstehen kann!)

Tag 1 – Hotel del Desierto: Verdammt kalt ist es an diesem Morgen, an dem wir, um dem Wind zu entgehen, gegen sieben Uhr bis halb acht aufbrechen. Den Flamingos scheint Kälte und Wind rein gar nichts auszumachen. Erhaben fressen sie in den Lagunen was auch immer und würdigen uns keines Blickes. Wir bahnen uns unseren Weg entlang der Lagunen Chiar Kkota, Honda und Ramaditas, was gar nicht so einfach ist ob der vielen Jeepspuren, die dokumentieren, dass hier wohl jeder fährt, wie er will. Gegen halb zehn ist dann auch das erste Mal Safari-Time, die Muttons rücken ungefragt in die Fokus von Jeeptouristen, die auch im Laufe der Tour mitunter keinerlei Skrupel zeigen, um ein Foto von crazy guys on a bike in the desert zu ergattern. Unsere Reaktionen waren abhängig von Tageszeit und Kräftestatus 🙂
Der Weg war anfangs gar nicht schlecht, wurde aber mit hervorragendem Timing, also mit Einsetzen des Windes, immer bescheidener… Sand und straffer Wind vermochten es sogar, dass sich eine Abfahrt wie eine straffe Steigung anfühlt! Ätzend! Der Tag endete nach dem Passieren eines Canyons (ein „wunderbarer“ Windkanal, um die Aerodynamik der beiden Radreisehammels ergiebig zu testen), am Hotel del Desierto. Völlig im Eimer von diesem Tag, freuten wir uns wie Bolle, in den Genuss einer heißen Dusche, Wärme und von Elektrizität zu kommen – es sind die kleinen, für alltäglich geglaubten Dinge!!! Dass im Preis von 50 Dollar noch ein Frühstück inklusive war, setzte dem Ganzen schier die Jubelkrone auf! PASST!!!

Tag 2 – Auf nach Colorado: Vollgefressen bis Oberkannte Unterlippe begann der Tag, wie der letzte aufgehört hatte. Wir wühlten uns stundenlang durch Sand und „genossen“ eine Ganzkörpermassage nach der anderen aufgrund des volatilen Untergrunds, auf dem es stellenweise keine Ausweichlinie gab – hier haben Wind und Jeeps ganze Arbeit geleistet! Klar setzt der Wind an diesem Tag auch noch ein Stündchen eher ein – ist ja sonst keine Herausforderung! Schnell noch das Rad unerlaubt an eines der Wahrzeichen der Lagunen-Route gelehnt und abgelichtet, stand nun eine Abfahrt zur Laguna Colorado an, die an Scheußlichkeit kaum zu überbieten ist. An Rollen war kaum zu denken, denn man musste ordentlich strampeln, um nicht von der Karre zu fallen. Der Wind leistete ganze Arbeit und da wir uns dem Nationalpark näherten, mehrten sich auch die Blechdosen auf vier Rädern, die uns ordentlich einstaubten und die Pistenverhältnisse fast zur Unbefahrbarkeit veränderten. Es war die erste Abfahrt meines Lebens, auf der nicht mehr als einstellige Geschwindkeitswerte verzeichnet werden konnten, trotz konsequenter Strampelei … ÄTZEND!!! Zum Abschluss zahlten wir noch eben 300 BOB Eintritt in den Nationalpark, genossen im Refugio Colorado ein nicht allzu üppiges Abendmahl und verschwanden alsbald völlig platt im Bett.

Tag 3 – Laguna Chalviri: Wieso sind eigentlich die Pisten in einem Nationalpark deutlich besser als im Rest des Landes?!? Claro!!! Gringo-Area und die bezahlen ordentlich Kohle… Wir haben ab diesem Tag das Vergnügen, auf deutlich besseren Wegen unterwegs zu sein, denn ähnlich einem Schneepflug, werden auch hier die Pisten mit einem Vehikel beräumt… Vielleicht dient es auch dazu, die Jeepfahrer, auf wenige Wege zu zwingen, um der Natur etwas Schutz zu bieten??? Wir nehmen es jedenfalls dankend an, denn an diesem Tag steht der Aufstieg auf 4912 m über Null an, dem höchsten Radelpunkt der Tour… Sol de Manana – Geysirfeld. Die Bedingungen gleichen sich, nur die Luft wird noch dünner … „Eine Sch… ist das hier – keinerlei Platz für eine Pause!“ Die Muttons sind nun schon deutlich gezeichnet ob der Anstrengungen der letzten Tage. Mentale Spannungen nehmen zu und fatalistische Regungen versuchen, von uns Besitz zu ergreifen – hilf aber alles nichts, wir müssen weiter, denn in diesen unwirtlichen Gefilden lebt es sich nicht lange!!! Wir kommen dann sogar in den Genuss einer „richtigen“ Abfahrt, die aber aufgrund der Kälte nicht wirklich Spaß machen will und uns zu schlotternden Hammelchens mit Eiszapfennasen macht. Leider dreht zum Schluss die Piste nach rechts und so strampeln wir die letzten Kilometer bei stürmigem Seitenwind unserem Ziel entgegen… Dort bietet uns eine mufflige Alte ein muffiges Zimmer ohne Fenster an! Genau die „richtige“ Offerte nach solch einem Tag. Kein Weg führt in eines der freundlicheren Zimmer und so kommen wir for free im ansässigen Restaurant unter … Dort treffen wir auch auf zwei radreisende Belgier, die schon ein Jahr unterwegs sind, in Ushuaia aufbrachen und uns hoch und heilig versicherten, wir würden auf dem Weg nach Süden feinsten Rückenwind haben… Das hatten wir doch schon mal?!? Wir werden sehen und geben die Hoffnung nicht auf! 🙂

Tag 4 – auf zur Casa Blanca? Gegen fünf Uhr klappern die Töpfe in der Küche. Warum stehen die Bolivianer eigentlich immer so verdammt früh auf?!? Gegen sechs Uhr wissen wir, warum: Die Jeeps rollen scharenweise an und deren Insassen wollen entweder Kaffee, das Klo oder die anliegenden heißen Quellen benutzen. Oh man, wir packen unseren Krempel und suchen, nach dem Frühstück in der ansatzweise wärmenden Sonne schnell das Weite! Heute: Jeeps ohne Ende!!! Mit einer nervig hohen Geschwindigkeit rasen sie an uns vorbei … Sind die eigentlich dämlich?!? Etwas Verstand würde dazu beitragen, zu verstehen, dass man bei solch einem Tempo mit solch einem Vehikel auf solch einem Untergrund physikalisch bedingt einiges an Materie in Bewegung versetzt, die sich geradezu als Wurfgeschoss gen wehrlose Radler „eignet“! Idioten!!!! Alle Handzeichen und Gesten helfen nichts! Ingnorant konstant! Sei es drum… Wir sind den letzten vollen Tag auf der Route und nun schon so einige Widrigkeit gewöhnt… Und dämliche Autofahrer gibt es ja auch überall… Konzentrieren wir uns also aufs Wesentliche: An den Streckenverhältnissen und Bedingungen ändert sich weiterhin nichts, nur das Gefühl, sich im Finale zu befinden, macht die Challenge gegen den Wind heute fast witzig :-)! Im Refugio trifft man nicht die freundlichsten Betreiber und das Wasser ist „leider“ ausgefallen … Ist eben so, kann man auch nichts gegen tun … Uns dämmert, warum das Land so ist wie es ist…

Tag 5 – Finale! Ist es der Anstrengungen der letzten Tage geschuldet oder den Bedingungen in Bolivien? Wir freuen uns jedenfalls außerordentlich, „rüberzumachen“ nach Chile… Noch kurz ein paar Kilometer gen Grenze, dann das „Glück“ genießen, NACH zwei Bussen voll mit einer französischen Reisegruppe an der Grenze anzukommen (:-/), den bolivianischen Grenzbeamten irritiert anschauen, weil der von einem für die Ausreise 15 BOB verlangt!!! (Claro!!! no tengo Bolivinos, amigo!) und dann freudig fassungslos dreinschauen, weil die Chilenen ihre Straße bis genau an die Grenzlinie asphaltiert haben!!!! Bähm, die erste Welt hat uns wieder!!!! Jetzt steht nur noch ein kleiner Uphill gen Hauptstraße an und dann heißt es 42 Kilometer Downhill auf einer asphaltierten Straße hinunter in die Atacamawüste, das trockendste Gebiet der Erde (außer der Polargebiete). San Pedro de Atacama hat uns!!! Wohlige Wärme umgibt unsere geschundenen Leiber, die Ankunft am Gebäude der Einreisebehörde NACH einer französischen Reisegruppe in drei Bussen nervt uns nur ein wenig und auch die relativ unfreundliche Art der Zollbeamten lässt uns überwiegend kalt.

Epilog – Entspannung im chilenischen Gringodorf was mit T-Shirtwetter aufwartet, um den Geburtstag von Hammelinchen gebührend zu feiern. Mister Hammel hat besondere Geschenke im Petto und so bekommt die Dame eine neue Kette (fürs Rad :-)) und muss mal nicht auf den Drahtesel steigen 🙂 ! Auch wird der Weg zur französischen Bäckerei nicht gescheut, um ein üppiges Frühstücksmahl zu bestreiten… Hammer, das Zeug! Muss man den Franzosen lassen! Warum sind die eigentlich so südamerikaaffin?!?
Preislich weht in Chile ein deutlich „strafferer“ Wind, dafür bekommt man aber auch fast alles, was man, wenn nicht braucht, so doch gewöhnt ist!!! Annehmlichkeit hat ihren Preis!

Nachwort: Warum nimmt man solch eine Tour wie die Lagunenroute auf sich, wenn sie unweigerlich anstrengend und fordernd ist, sowie das Frustrationspotential deutlich in die Höhe schnellen lässt? Die Frage lässt sich sehr einfach mit einem kurzen Verweis aus die Landschaft beantworten. Man befindet sich tagtäglich in einer Gegend, die an Schönheit und Ästhetik kaum zu übertreffen ist! Und das Gefühl, aus eigener Kraft den Widrigkeiten getrotzt und diesen Teil der Welt erFAHREN zu haben, ist ein außerordentliches und sicher bleibendes!

Hier geht es zu den Bilder (klick!)

Die Muttons begeben sich in wenigen Stunden auf den Weg zum letzten großen Andenpass der Tour, dem Paso de Sico und erfreuen sich dann hoffentlich eines energischen Rückenwindes, der ihnen die anstehenden reichlich 2000 hm Anstieg deutlich erleichtern wird. Fingers crossed!!!! Argentinien steht an, gleichwohl uns Chile auch bald wiedersehen wird. Nur noch circa 5200 km trennen uns von Ushuaia in Patagonien – n Klacks 🙂

In diesem Sinne – Kette rechts und kräftig reingetreten! Wir bleiben dran!

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