Huancayo, Hotel Los Balcones – komische Geräusche dringen aus dem Bad des Zimmers 34. Stöhnen, Seufzen, tiefes Ein- und Ausatmen, Plätschern… Montezumas Rache?!
Das wäre ja noch schöner!!! Nach den letzten Grenzerfahrungen hätte uns ein Diarrhoe-Intermezzo gerade noch gefehlt. Stattdessen ist Mister Mutton fleißig dabei, die Klamotten der Herde (stilecht natürlich auch aus Merino-Wolle) vom Dreck der letzten Tage/Wochen zu befreien. Auswringen ist ein verdammt harter Job – schrieben wir nicht schon mal vom Segen der Waschmaschine? Wir können es nur noch einmal unterstreichend wiederholen!
Ok, Huancayo – im Vergleich zu den letzten Orten ist diese Stadt eine Metropole. Wir brauchten gestern über eine Stunde, um uns vom Rand der Stadt ins Zentrum vorzuarbeiten, und das Ganze nach 100 km in den Beinen. Genau das Richtige also zum Tagesabschluss und als Prolog zum Ruhetag!
Hier heißt es Akkus aufzufüllen nach den Anstrengungen der vergangenen Tage. Wunderbar praktisch ist es deshalb, dass sich direkt neben dem Hotel ein Cafe befindet, was ordentlichen Kaffee (die Peruaner scheinen die Kaffeekultur Europas nicht nachahmen zu wollen, es gibt meist heißes Wasser und dazu irgendeinen Kaffeesirup aus Instantgedöns) und Schokoladentorte en masse feilbietet – unser Etablissement der nächsten Stunden!
Stichwort Anstrengungen – da war ja noch etwas… Standen wir nicht noch vor ein paar Tagen kurz vorm Kollaps? Mister Mutton tendiert ja nun wirklich nie zu Übertreibungen :-).
Erinnern wir uns: Das Minendrama von Oyon nagte auch am Folgetag ordentlich, vor allem an der mentalen Verfassung der Muttons. Nach einer frostigen Nacht begaben wir uns also mit einer rasanten Pistenabfahrt wieder zum Startpunkt zurück, noch ohne eine endgültige Entscheidung getroffen zu haben, wie es nun weitergehen soll. Great Divide oder ab nach Cerro de Pasco und dann sur! Die dämlichen Bauarbeiter wurden mit Ignoranz gestraft, natürlich taten sie aber auch an diesem Tag alles, um uns noch den Rest zu geben. Die halbe Strecke haben sie bewässert: Staub-Sandpiste plus Wasser plus schnelle Abfahrt ohne Schutzbleche ergibt??? GENAU!!!
So ritten wir also wieder am Ortsrand in Oyon ein, um die Vorräte aufzufüllen (die Besitzerin der Tienda fragte nach der ersten Mengenangabe georderter Schokoriegel lieber noch mal irritiert nach bevor sie realisierte, dass sie mit den beiden Gringos das Geschäft des Monats machte 🙂 ). Und jetzt?! Entscheidung! Circa eine dreiviertel Stunde wägten wir das Für und Wider beider Optionen ab, keine Ahnung, warum dies so lange dauerte. Wir waren auch schon mal entscheidungfreudiger! Mittlerweile war es um zwölf und wir sahen uns gezwungen zu handeln, wollten wir noch ein Stück des Tages nutzen, um voranzukommen. Die Argumente sind ja bereits bekannt.
Also los! PE 18 – die Straße nach Cerro de Pasco zu mehr Fahrkomfort und schnellerem Vorankommen. Genau das Richtige nach den anstrengenden letzten Tagen. Was für ein Irrtum!!! Für die circa 2 km-lange Serpentinen-An- und Auffahrt brauchten wir gefühlt (oder real – wen kümmert das schon) eine Stunde. Vor allem in den Kurven sorgte tiefer Sand garniert mit Schotter und Geröll für tolle Überraschungen beim Fahren, für ungewollte Absteiger vom Radl und kräftezehrende Schiebepassagen. Hier leisteten die motorisierten Vehikel also beste Arbeit. Zu allem Überfluss staubten sie im Vorbeifahren die beiden Muttons wieder so dermaßen ein, dass es zwischen den Zähnen knirschte und alle erdenklichen Stellen von Ross und Reiter mit einer grau-gelben Staubpatina bedeckt waren. Grandios!!! Geht das jetzt auf den nächsten 50 km Uphill so weiter?! Vor allem die mentale Verfasstheit des Misters verschlechterte sich in den nächsten Minuten dramatisch und exponentiell, war er doch noch immer damit beschäftigt, die Planabweichung zu verdauen.
Und dann kam es zum Showdown! Wir erreichten die Haupttrasse der PE 18, die sich als Piste herausstellen, und diesen Weg schmückte ein Schild des peruanischen Verkehrsministeriums, auf dem sinngemäß geschrieben stand: „große Straßen für ein großes Peru“ – das war in meinen Augen eindeutig zu viel realen Sarkasmus nach den leidvollen Erfahrungen der letzten Stunden. Natürlich fuhr auch just in diesem Moment wieder eine Armada von Schwerlasttransportern vorbei!!!
SCHNAUZE GESTRICHEN VOLL!!! Bereute ich die Entscheidung? Selbstverständlich, aber umkehren geht mal gar nicht. Die Entscheidung musste vollstreckt, der eingeschlagene Weg gefahren werden! Der Verkehr nahm erheblich zu, denn es handelte sich (wie konnte es auch anders sein) um die Zubringerstraße – ähm Dreckspiste – zur florierenden Mine Uchucchacua, die am Fuße des gleichnamigen Passes auf 4737 m gnadenlos ausgebeutet wird. Also sahen wir uns die nächsten Stunden mit einer, im Vergleich zu den letzten Tagen, echt bescheidenen Landschaft und Verkehrssituation konfrontiert, die eben in Relation das „Fass zum Überlaufen brachte“. Vorbei an staubgrauen Pflanzen am Wegesrand durften natürlich auch knackige, kräftezehrende Anstiege nicht fehlen. Resultat des Tages: Wir fanden kurz vor Einbruch der Dunkelheit völlig enerviert einen Zeltplatz neben der Mine unter einem Starkstrommast 300 hm vor dem Pass – ein Ambiente, was seinesgleichen lange sucht und sicher keinen gehaltvollen Schlaf verspricht. Das Essen fiel spartanisch aus – Kekse und Schokoriegel mussten reichen! Noch mal raus zum Pinkeln? – Definitiv nicht!!! Wir vertrauten auf das geteigerte Volumen unserer Blasen ob des deutlich geringeren Luftdruckes da oben.
All das ware eine Gemengelage von Ereignissen und Bedingungen, die die Muttons ganz schön drangsalierte und die Gemütslage strapazierte. Vorgestellt hatten wir uns eine entlastende Fahrt mit Zeitersparnis. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!
Der nächste Tag verlief dann etwas besser, auch wenn man hier definitiv nicht von entspanntem Dahinrollen reden sollte. Wir trafen den sehr netten Peruaner Fernando, trotzten nach einer langen, schönen Abfahrt in wieder schönerer Umgebung mit Ach und Krach der Kontersteigung, um mit letzter Kraft eine Absteige 20 km vor Cerro de Pasco zu erreichen, der es an sanitären Einrichtungen jeglicher Art mangelte, die aber Schutz vor dem aufziehenden Nebel mit eisiger Kälte bot!
Was für ein Hochgefühl baute sich in uns auf, als wir am Folgetag nach 20 weiteren kräfteraubenden Kilometern vorbei am potthässlichen und sicher stark kontaminierten Cerro de Pasco ENDLICH auf Asphalt und somit auf die PE 3 N stießen. Wir flogen förmlich!!!! Machten ENDLICH Strecke!!!! Der Verkehr? Sch…egal!!! Gegenwind? Sch…egal!!! Auch das Wetter besserte sich sukzessive.
Resultat: nach drei Tagen sind wir Cusco ein ganzes Stück nähergekommen, schonen nach der gestrigen Mammutetappe heute die geschundenen Hammelbeine, um morgen auf der PE 3 S den restlichen Weg zur ehemaligen Inkametropole anzutreten. Mal sehen, was Peru noch für uns bereithält. Langweilig wird es sicher nicht:-)
So denn, die Klamotten sind nun auch langsam trocken und die nächste Schokotortenkaffeekombo wartet bereits!!!
Adios und bis demnächst sagen die Muttons, deren Frusttoleranz wieder ein belastbares Level erreicht hat.
Kommentar verfassen