Argentinien – das Land des billigen aber guten Fleisches? Hier kostet das Zeug tatsächlich weniger, als Gemüse, Käse und andere Leckereien in den Supermärkten unserer Wahl. Woran das wohl liegen mag?

Auf jeden Fall wurde unser Fleisch in den letzten Tagen in zahlreichen Facetten be- und verarbeitet – nicht gerade zu unserem Vergnügen!

Der Neujahrstag begann gemütlich gegen 10:30 Uhr auf dem Rad. Wir radelten bei steigender Hitze gemächlich bergauf und bergab auf einen Teil der Ruta 40 zu, an dessen Ende wir mit einem gigantischen F(beep) you und einer eindeutigen obszönen Geste dem vorangegangenen Frust und der folgen Erleichterung adäquaten Ausdruck verleihen konnten! Ab dem kleinen Nest Barrancas heißt es nämlich mindesten 70 km Dirtroad mit allen Zutaten, die einen mental und physisch etwas näher an seine Grenzen bringen können. Washboard? Ja sicher! Warum denn den Schotter mit den kleinen Steinchen? Nimmer doch die großen, losen Dinger!!! Wind? Claro, aber nur schön stark und böig von der Seiten und von vorn! Uphill? Ja sicher, aber das größte Stück bitte gegen Ende, wenn man sein Pulver des Tages schon verschossen hat! Fehlt noch was? Jaaaaaaa, minimiere die Wasserstellen für die durstige Herde auf ein Nichts und warte des nachtens noch mit einem Sturm auf, der die Muttonfilets, nachdem sie den ganzen Tag in ihrem eigenen Saft schmoren konnten, auch gleich noch schön paniert in den neuen, stürmigen Morgen schickte!

Zwischendurch durften zahlreiche Bremsen und Mücken schon mal die Qualität des MuttonMeat testen, als wir stilecht auf halben Wege die Nacht in einem Viehgatter nahe eines leeren Hauses verbrachten. Den Viechern scheint es geschmeckt zu haben, denn sie ließen auch dann nicht ab davon, uns zu peinigen, als wir unsere Leiber zur Abschreckung mit Bremsenkadavern auf frischer Tat ertappter Insekten schmückten… Ist die Sonne weg, ist auch der Spuk schlagartig vorbei. Aber bereits vorher steht man kurz vom psychischen und physischen Totalausfall.

Also: Am nächsten Tag dann dieses miese Stück von Piste hinter uns gebracht, durften wir kurz nach dem Wiedereinsetzen des Asphalts auf dem Vorplatz des Hauses einer Familie schlafen, die für das Vieh an der Laguna Nueva zuständig war. Von den beiden Kids erfuhren wir, während sie uns mit Wasser versorgten und den Sandboden mit einem Besen von allerhand Exkrementen befreiten, damit wir unser Nachtlager errichten konnten, dass sie gerade Ferien hatten. “Wie viele Wochen?”, wollte der Herr Hammel wissen… Hahahahahaha, selten so gelacht. Mit Wochen geben sich die argentinischen Kids nicht zufrieden. Sagen wir mal DREI Monate, dann wird ein Schuh daraus!

Gut! Zelt aufgebaut, Essen gekocht, ab in die Kiste. Reichte für zwei Tage, das ganze Gerödel! Was man jetzt braucht, ist ein geruhsamer Schlaf. Aber “Wünsch dir was” ist seit langem abgesetzt und “ Ich mache das, was du nicht willst” schon lange im Programm. Der stürmische Wind des Tages wollte nicht wie üblich in der Nacht nachlassen! NEIN! Er legte Dünen im Zelt, in den Gesichtern und Schlafsäcken an. Und er ging auf Nummer sicher, dass auch ja unsere Zähne sauber sind, indem er den feinen Sand auf eben diesen ablegte, damit auch die letzten Reste beim fluchenden Sprechen über diese Farce von der Zahnoberfläche abgekratzt werden konnten.

Seit Salta, spätestens aber Cafayete wartet Argentinien täglich mit solch einem Mist auf. Und getreu dem Motto “The show must go on”, kann es da noch ne Schippe drauflegen. Ist die Landschaft dann doch mal schön, wie das Flusstal des Rio Grande, wird es einem durch solche Dinge die Suppe ordentlich versalzt. Sind wir einfach nur verwöhnt von den grandiosen Landschaften Perus, Bolivien und Chiles? Mag sein! Aber die über sechs Wochen des Radelns in solch einer Gegend brachten uns fast an den Rand der Verzweiflung. Hier unser Urteil vorab: Ruta 40 gen Süden bis Junin de los Andes? Wohl das mit Abstand langweiligste Stück unserer Reise!!!! Nochmal nicht! Aber: Wir haben es durchgezogen, uns der Tristesse gestellt und letztlich obsiegt!

Spannender und nerviger Nebenaspekt: ganz Argentinien scheint in Privatbesitz zu sein… Jedes noch so öde Stückchen Land ist mit einem Zaun versehen… Wildzelten wird zur echten Herausforderung… Fast schon US-amerikanische Verhältnisse.

Ok, was war denn noch im Angebot? Umluft ist ja gut zum Garen oder Backen. Also setze doch die Hammelbraten einem ständigen, starken Wind aus, sehr gern auch in starken Böen aus Westen. Fährt man nach Süden und der Wind kommt aus West, heißt das mitunter Gefahr für Leib und Leben! Und hier übertreiben wir nicht!! Wenn der Wind einen schlagartig in dem Moment auf die Mitte der Fahrbahn manövriert, in dem ein argentinischer Fahrer eines motorisierten Vehikels eurer Wahl, ohne nur einen Gedanken über die Auswirkungen von Seitenwind auf einen Radler zu verschwenden, in minimalstem Abstand an einem vorbeirauscht, kann es das gewesen sein. Stress pur! Wir erfreuen uns aber bester Gesundheit, trotz eines Crashes, an dem wir irgendwie beteiligt aber in den wir nicht unmittelbar involviert waren. Gabriel war mit seinem Motorrad unterwegs und wollte uns nach einer Böe erschrocken ausweichen, legte sich dabei aber gnadenlos in den Schotter des Seitenstreifens! Schnell eilten wir ihm im Gegensatz zum direkt dahinter fahrenden Autofahrer, zu Hilfe und hoben die leicht beschädigte Karre wieder aus dem Dreck. Glück gehabt!!! Alle konnten weiterfahren und wir plauderten noch ein wenig. Aber ab diesem Punkt beschlossen wir, bei solchen Verhältnissen, wenn überhaupt, dann am Rand der linken Spur zu fahren… Safety first!!! Dass einige der vorbeifahrenden Autofahrer unser Verhalten wild gestikulierend verurteilten, spricht für … Egal!

Komplettiert wurde diese Grenzerfahrung mit den letzten Kilometern des Tages nach Buta Ranquil. Die Strecke dreht nach Westen ab! Super!! Gefahr vorbei! Aber: Trotz Abfahrt ist an Fahren gar nicht mehr zu denken! Wir schieben ob des Windes. Und zwar am Anschlag… Sowas hab ich noch nicht erlebt! Und der Frust vergrößerte sich in dem Maße, wie unsere Geschwindigkeit abnahm! Herzlichen Glücksstrumpf!

Ruhetag in Buta Ranquil? Dringend nötig. Aber jetzt sind wir in Patagonien und das merkt man preislich enorm… In Ermangelung tragfähiger Alternativen “gönnen” wir uns einen Tag Ruhe in diesem komischen Dorf, kommen aber in einem Hotel mit sehr netten Betreibern unter, die uns sogar, mit leichtem Unverständnis über unseren Drang, das Zimmer nur zum Essen holen zu verlassen, ihr eigenen Auto für einen Ausflug an ;-). Ruhetage für Radler sind alles andere als aktiv!!!

Etwas ausgeruht geht es am nächsten Tag bei WINDSTILLE!!! weiter nach Chos Malal. Über die Gegebenheiten auf argentinischen Stadtcampingplätzen haben wir ja schon berichtet und so beschlossen wir, uns hier noch mal ein Hostelzimmer zu gönnen, wohlweislich, dass das auch erstmal das letzte Mal sein werde… Ein Schnäppchen sieht anders aus, aber wenigstens mit Frühstück, dachten wir… Wurde uns so auch bestätigt … dachten wir … am nächsten Morgen drehten wir uns das magere Pseudoweißbrot rein und spülten es mit Instantkaffeebrühe runter, nur um danach mit weiteren 120 Peso zur Kasse gebeten zu werden. Da war sie wieder, meine Antipathie!!!! Jetzt sind wir endgültig im “So-wenig-wie-möglich-in-Argentinien-ausgeben-Modus”! Ist auch nicht so schwer, weil es schon wieder unmöglich war, seit dieser Stadt irgendwie Geld abzuheben! BITTE! DANKE!

Natürlich werden wir auch gleich noch an der Kontrollstation der örtlichen Polizei herausgewunken und “kontrolliert”. Danke! Wir holen gern nach solch einem Frühstück und morgendlichen Stimmungshoch die Pässe aus dem hintersten Winkel unserer Packtaschen, um … was eigentlich? Ach, keine Ahnung!!! Ach ja, um der Langeweile der Beamten entgegenzuwirken. We love to entertain you!!!

Was dann folgt, ist schnell erzählt… Landschaft? Naja, nicht unbedingt hässlich, aber irgendwann eben langweilig, Wind? Unser stetiger, uns ständig ärgernder Begleiter, der uns in Zapala zu einem Ruhetag zwingt und die Etappe nach Junin auch nur 30 Kilometer lang werden lässt. Morgens zeitig los lautet die Devise, das ist nervig, aber notwendig…

In Zapala treffen wir dann Zofia aus Frankreich, seit 2015 von Alaska aus hierher geradelt ist, und ihre Freundin Tania aus Portugal, in Cusco dazugestoßen. Wir haben ne Menge Spaß und machen aus der Not ne Tugend. Was solls denn auch… Wir campieren auf Schulhöfen (den Ferien sei Dank) und analysieren Familienstrukturen, die sich uns in einer Pause boten, in der dreizehn Menschen aus einem stinknormalen Pickup stiegen!!!! Analyseergebnis: geheime Verschlusssache! 🙂

Gut, gut! Nun hängen wir in Junin, suchten uns einen Wildcamping Spot, weil uns 300 Peso auf einem verstaubten und überfüllten Campsite einfach zu teuer sind, sprangen in den, mit kristallklarem Wasser gefüllten, Fluss vor unserer Haustür (brrrrrr, kaaaaaaaaalt!) und freuen uns des Lebens, weil wir endlich in dem Patagonien angekommen sind, welches man geläufig in seinem Rechenzentrum imaginiert. Hach, Bäume sind einfach genial!!!! 🙂 Wir könnten sie knuddeln!!!  Und garniert ist alles mit grünem Rasen! Schön!

Haben wir noch eine Anmerkung zur Ausrüstung? Ja, sehr wohl. Da es jeglicher Notwendigkeit entbehrte, in den letzten sechs Monaten das Außenzelt unseres Hubba Hubba zu nutzen, weil eben weder Sand noch Regen in Aussicht standen, ist uns erst jetzt aufgefallen, dass das blöde Ding wohl etwas schlecht vernäht wurde… Es lässt sich einfach nicht gescheit fixieren… Ist ja auch nicht so tragisch, wenn Regen und Sturm auf einen Warten… Großes Kino zum kleinen Preis? Eher andersherum…. MSR hat ne Mail von uns, aber noch nicht geantwortet. Wir dürfen also gespannt sein…

Update: Laut dem Hersteller sei die hohe Spannung normal, denn sie sorge für die notwendige Stabilität. Hammelchen zog daraufhin beherzt am anderen Ende und stellte fest, es funktioniert. WENN AUCH EIN ETWAS MULMIGES Gefühl bleibt…

So, wir gehen jetzt mal mit den monatelang vermissten Freunden kuscheln und legen uns zu Bett, während der Fluss hinter uns angenehme Kühle und den rauschenden Sound der Nachtruhe bringt.

Patagonia, mach dich bereit! WIR KOMMEN! (Und Wind, sei mit uns!)

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