Heute grüßen die Muttons aus der weltweit höchsten Stadt, die einen nationalen Regierungssitz beherbergt, wohl aber nicht die Hauptstadt des Landes ist. Und? 🙂 NICHT GOOGLEN!!! 🙂
Buenos dias aus La Paz! Eine interessante Stadtstruktur korrespondiert hier mit der Vitalität einer westlichen Großstadt – traditionelles Bolivien? – Fehlanzeige! Zwischen den „kleinen Querelen“ der unmittelbaren Vergangenheiten und der bevorstehenden Altiplano-Kargheit-Ästhetik bietet uns dieser urbane Kessel eine luxuriöse Heimstatt. Denn wir sind nicht etwa im bekannten Casa de Ciclistas abgestiegen, sondern residieren fürstlich am Plaza Sucre, gegenüber dem Knast!
Was heißt hier eigentlich luxuriös-fürstlich? Naja, wir genießen hier neben einem durchaus großen Zimmer ein eigenes Bad mit FAST konstant heißer Dusche und dürfen uns eines Frühstücks erfreuen, was uns wahlweise ans Bett oder im hoteleigenen Restaurant serviert wird. Dazu gibt es tatsächlich eine gute, stabile Internetverbindung und Ruhe satt, denn es scheint, als wären wir die einzigen Gäste im Hotel! „UNBEZAHLBAR!!!????“ – Naja, für bolivianische Verhältnisse zahlen wir wahrlich einen horrenden Preis von gnadenlosen 35 Euronen für das komplette Paket. Jetzt kann jeder für sich entscheiden, ob dies tatsächlich teuer ( oder auch luxuriös 🙂 ist. Es gibt sicher billigere (wenn auch vielleicht nicht unbedingt preiswertere) Optionen, aber mal ehrlich: warum sollten vergleichsweise wohlhabende Touristen, wie wir sie nun mal sind, nicht an einer solchen Wohlstandsumverteilung teilnehmen? Win-Win-Situation – ganz klar und einfacher geht es kaum.
Frühstücksexkurs: Das erste Frühstück orderten wir für die angenehme Zeit morgens um neun. Vorsorglich stellten wir den Wecker denn auch auf dreiviertel/viertel vor neun, um ja auch pünktlich kulinarisch tätig werden zu können. Gegen halb neun klopfte es sanft aber energisch an unsere Pforte und es wurde angemerkt, dass das Frühstück fertig sei… Stress am Morgen … Prima. Wir hatten doch ausdrücklich um neun gesagt! Jetzt ist das Ei sogar schon kalt … grrmml … Gut, dann achten wir morgen noch deutlicher darauf, uns klar auszudrücken … . Wenige Stunden später schlendern wir durch eine der wenigen Füßgängerzonen von La Paz und müssen überraschend feststellen, dass wir wohl die Urheber des morgendlichen Unbehagens waren. Wir Nasen haben einfach mal „übersehen“, dass es in Bolivien eine Stunde später ist 🙂 Na ganz stark! Drei Tage in diesem Land und nix gemerkt. Dem Glücklichen schlägt keine Stunde! Wohl wahr!!! (Exkursende)
Aber um in dieses urbane Entspannungsfeld zu gelangen, hieß es: von der Copacabana Boliviens durch die phantastische Szenerie der Titicaca-Region zu radeln, um im Moloch El Alto fast an den Abgasen der motorisierten Verkehrsteilnehmer und dem omnipräsenten Staub/Dreck zu ersticken. Dass man natürlich auch den internationalen Flughafen eben in diesem Armenviertel vor den Toren von La Paz platziert, mag vielleicht einem Sachzwang geschultet sein, vielleicht aber auch dem Umstand, dass die Armen gegenüber solch Belastungen eher weniger empfindlich bzw. nicht wehrfähig sind… Gibt es dieses Szenario auch andernorts? Weit braucht man wohl nicht zu schauen!
Das Gezeter um Katalysator, Rußpartikelfilter, Feinstaubplakette und den vermeintlich „bösen“ Umweltschutz in unseren Gefilden scheint ob dieses braunen Dreckkessels, aus dem man eigentlich nur fliehen möchte und nicht begreift, wie man da länger (Über-)leben kann, gelinde gesagt dämlich. Luft ist definitiv kein freies, Gesundheit ein Wohlstandsgut, soviel steht fest!
Tausende Hustenanfälle, Beinahekollisionen mit Blechdosenbesitzern und argwöhnisch-distanzierte Blicke Einheimischer später blieb uns abermals die Luft weg: Ein wahnsinniges Panorama von La Paz eröffnet sich einem, wenn man sich an den östlichen Rand El Altos durchgekämpft hat. Man blickt auf diesen urbanen Kessel mehrere hundert Meter unter einem und kann sich der Faszination dieses Anblickes kaum entziehen! GRANDIOS!!! Unser Votum: Muss man sehen, wenn man in der Nähe ist!
Dankenswerterweise stellen die Österreicher ihr Know-how zur Verfügung, um in La Paz und zwischen ebendiesem und El Alto das weltweit größte Seilbahnennetz zu installieren. Für lächerliche drei Bolivianos (Umrechnungskurs circa: 1 EUR = 8 BOB) kann man sich über der Stadt bewegen und das Panorama nochmals auf eine andere Art genießen.
Diese Form der Fortbewegung ist zudem die zeit- und luftschonende Möglichkeit für viele, v.a. ärmere, Menschen, den Weg von den Randbezirken in die Stadt zu finden, um ihrer Arbeit nachzugehen. Was für ein Fortschritt im Vergleich zum status quo ante!
Eine geniale, halbstündige Abfahrt ins Zentrum dieser Metropole später (Über die kommende Auffahrt raus aus dieser Stadt denken wir jetzt mal nicht näher nach!), werden wir fast von den Menschenmassen erschlagen. Jeder läuft und fährt kreuz und quer. Klar macht Hammelchen da mit und fährt erstmal entgegengesetzt in den Kreisverkehr! Der Bus vor mir sah darin ja auch nichts Kritische!!! Alles kein Problem, fährt doch die Polizei hier auch des nachts beispielsweise ohne Licht durch die Gegend oder werden Fußgängerampels, sofern sie nicht vollends fehlen, einfach ignoriert. Ein Collectivofahrer meinte, mich fast rammen zu müssen, als wir mit den Rädern an der mittigen Verkehrsinsel des besagten Kreisverkehres standen! Der renitente Mister Mutton brachte ad hoc etwas Fäkalsprache und eine Faust gen Karosse zum Einsatz! SO NICHT!!! So ein Seitenspiegel im Gesicht muss ja nicht sein!
Wie kompensiert man nun ein solches Konvolut an neuen, einen fast übermannenden Eindrücken?!? Ganz klar: „Pizza, Pasta und et cetera!“
Zudem begaben wir uns auf die Suche nach dem Zentrum der Stadt, konnten aber bis heute nicht so richtig lokalisieren, wo dieses sein soll, sofern es ein solches überhaupt gibt. Passt ja irgendwie zum urbanen Konzept, uns dünkt!
Auch dem Markt in El Alto statten wir einen Besuch ab. Man nutze dazu eine der beiden Seilbahnen hinauf, halte seine Taschen und Wertgegenstände in ebendiesen fest, staune über das Angebot von allen möglichen Dingen, deren Existenz man vorher schier geleugnet hätte und versuche anschließend auf dem Rückweg zum Sprung über La Paz anzusetzen!
Auch die negativen Ergebnisse des beschriebenden Hammelsprungs tagszuvor konnten wir mittels fremden Sachverstandes bei XBikesstore beseitigen lassen. Natürlich konnte sich der Fachmann ein leicht sarkastisches „You did a bad job by fixing it, my friend!“ nicht verkneifen. Ich: „Trial and error, Mister! At the side of the road in the middle of nowhere!“ Er (lachend): „Oh, it is not so bad!“ Jedenfalls ist der Schädel jetzt wieder frei für bolivianische, chilenische und argentinische Pistengaudi gröbster Ordnung.
Ein weiterer Punkt auf unserer Agenda: Besuch der Deutschen Schule am anderen Ende der Stadt. Wie es sich ziemt, rödelten wir mit den Berufstätigen gegen 6:30 Uhr durch und über den urbanen Dschungel, um gegen 8:00 Uhr vor den Toren dieses paradisisch anmutenden Ortes zu stehen. Wir durften ein interessantes Gespräch mit dem stellvertretenden Schulleiter führen. 400 Dollar legt man monatlich auf den Tisch, um seinem Kind dieses Maß deutscher Bildung angedeihen zu lassen – außerordentlich viel Geld für bolivianische Verhältnisse! 95 % der Schülerschaft sind dennoch Bolivianer und Bolivianerinnen und die Schule erfreut sich außerordentlicher Beliebtheit. Die Ausstattung kann sich sehen lassen und sich aufdrängende Vergleiche mit Schulen in Deutschland haben Depressionspotential. Durchaus überraschend für uns war auch der Fakt, dass die in ihrer internationalen Bedeutung eher marginale Sprache Deutsch immer größeren Zuspruch findet und die Schulentwicklung ganz klar darauf ausgelegt ist, die Schülerinnen und Schüler von der Vorschule an konsequent auf Deutsch (als Zweitsprache) zu unterrichten (als Grundlage für ein anschließendes, vergleichsweise preiswertes und dennoch qualitativ hochwertiges Studium in Deutschland). Bildungssystem Deutschland – wenig attraktiv und sogar revolutionsbedürftig (a la Herrn Precht)? – zumindest hier sieht man dies mitunter durchaus anders! (was ich wiederum nicht unbedingt irritierend finde – aber das hängt vielleicht auch ein wenig mit meinem Berufsstand zusammen :-))
Nun könnte es ja eigentlich weitergehen! Ab auf die Piste, rein ins karge, menschenleere Altiplanovergnügen. Ich habe heute schon mal das zuätzliche Lastentragesystem an den Radgabeln installiert, um der zu erwartenden Knappheit an „Wasser und Brot“ statthaft entgegenzutreten.
Was steht an? Unter anderem soll der erste (vielleicht auch letzte) 6000er unseres Lebens bezwungen werden, sofern es die Bedingungen zulassen. Dirtroads mit Sandeinlagen werden unsere ständigen Begleiter sein. Der Wind ist auch am Start und es liegen der größte Salzsee der Erde und die Lagunenroute vor uns. Es bleibt also spannend und langweilig wird es auch nicht.
Aber Geduld: una noche mas!!! Leider ist die Muttondame gesundheitlich etwas angeschlagen, scheinbar, weil ihr in Puno die ganze Belegschaft des Hotels etwas von ihrer Erkältung mitgegeben hat. Weniger ist in diesem Falle mehr und so „müssen“ wir es hier ggf. noch einen weiteren Tag aushalten:-). Gibt definitiv Schlimmeres.
So denn, wir melden uns vorsorglich erst einmal für einen längeren Zeitraum ab und leben/radeln weiter getreu dem Motto: „Der Weg bleibt das Ziel!“
Die Muttons
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